Bitcoin – ist das nur was für Zocker? Nein, findet Kristian Kläger. Er ist Familienunternehmer in der dritten Generation in Neusäß bei Augsburg.
Bitcoins sind eine dezentrale Kryptowährung, also vereinfacht gesagt, ein digitales Zahlungsmittel, das knapp und nicht an ein Land oder eine Zentralbank gebunden ist. Bitcoins „entstehen“ durch eine große Menge Rechenleistung, also Strom. Genau diesen energieintensiven Prozess, das „Schürfen“ von Bitcoins, lasse sich nutzen, um das Energienetz zu stabilisieren und sogar den Ausbau von regenerativen Energien zu fördern – das ist die These von Kristian Kläger.
Willkommen im Bitcoin-Labor
Wie das aussehen könnte, wird klar, wenn man den Keller der Firmengruppe Kläger in Neusäß betritt. Das Unternehmen produziert Teile für die Automobilindustrie und Sprühprodukte zum Beispiel für die Autoindustrie oder für Drogerien. Dort, in einem umgebauten Heizungsraum, befindet sich eine Art Bitcoin-Labor, das Unternehmer Kristian Kläger als „Energy-Lab“ bezeichnet. Es ist warm, die 16 Rechner erzeugen einen leichten Luftzug, sie arbeiten hörbar. Mit ihrer Rechenleistung setzen sie Daten um, die beim weltweiten, verschlüsselten Zahlungsverkehr mit Bitcoins anfallen – und das ist ein Wettrennen, denn nur Rechner mit genug Leistung setzen die Rechenoperationen schnell genug um. Diese Rechenleistung benötigt viel Energie, die unter anderem als Abwärme wieder verpufft.
So lässt sich die Abwärme nutzen
Hier kommt die Idee von Kristian Kläger ins Spiel. Der 36-Jährige will die Rechner vor allem dann laufen lassen, wenn genug Strom vorhanden ist. Und die Abwärme ist für ihn nicht einfach nur ein Abfallprodukt, er will sie auffangen, speichern – und nutzen. Seine Rechner stehen deshalb teilweise im Wasser und in Ölbädern. Die aufgefangene Wärme speichert Kläger in einem großen Heizkessel. So soll sich Bitcoin-Schürfen mindestens ein Stück weit lohnen. Eigentlich ist das Ganze nicht rentabel in Deutschland, weil hierzulande der Strompreis vergleichsweise hoch ist.
Warum der Energiebedarf schwankt
Viel Wärme und Strom benötigt das mittelständische Unternehmen aus dem Raum Augsburg auch für seine eigentlichen Produkte, die Kunststoffe und Kosmetikprodukte. Um unabhängiger zu werden, hat Kläger in Photovoltaik-Anlagen investiert, auf den eigenen Dächern und auf Feldern. Damit erreicht das Unternehmen eine Autarkie-Quote von 30 Prozent an guten Tagen. Energie, die für die Maschinen gebraucht wird. Aber eben nicht an allen Tagen. „Es gibt Betriebsruhe. Es gibt Wochenende, es gibt vielleicht auch Kurzarbeit, wenn es mal nicht so gut läuft und viele andere Fälle, wo man sich dann die Frage stellt, ob sich das Einspeisen lohnt.“ Denn um den grünen Strom wieder loszuwerden, muss die entsprechende Netz-Infrastruktur vorhanden sein.
Kryptowährung als „Philosophieentscheidung“
Die nicht verwendete Energie der Photovoltaikanlage fließt in das Bitcoin-Labor des Unternehmers – das sei planbar und monetarisiere sich, denn die Bitcoins, die geschürft werden, können in Euro getauscht werden. Das sei eine „Philosophieentscheidung“, so Kläger, außerdem könnten mit der Idee auch im großen Stil Stromnetze stabilisiert werden.
So viel Energie geht verloren
Viel zu oft nämlich würden Windräder oder PV-Anlagen abgeschaltet – „abgeregelt“, wie es heißt – damit Netze nicht überlastet werden, weil die Abnehmer fehlen, erklärt Energieexperte Stephan Bosch von der Uni Augsburg: „Wir haben im Jahr 2020 etwa sechs Milliarden Kilowattstunden abgeregelt. Das sind sechs Terawattstunden, das entspricht einem Prozent des deutschen Stromverbrauchs in einem Jahr.“ Die Betreiber der Anlagen müssen für diese Ausfälle entschädigt werden – mit 800 Millionen Euro ein „deutlicher Kostenpunkt“, so Bosch: „Gesamtgesellschaftlich wäre es wünschenswert, dass wir diesen regenerativ produzierten Strom auch wirklich zu 100 Prozent nutzen.“
Genau das ist auch der Plan von Mittelständler Kläger, wenn er seinen „Rest-Strom“ zum Schürfen von Bitcoins einsetzt. Je nach Stromangebot und -bedarf müssen dafür die Rechner an- oder ausgeschaltet werden. So werden sie zum Puffer, der das Stromnetz stabilisiert, denn die erzeugte Strommenge aus Wind und Sonne schwankt.
Wie Bitcoin das Stromnetz stabilisieren könnte
Der Unternehmer sieht sich als Vorreiter. Seine Idee könne viele Unternehmer ermutigen, noch mehr in erneuerbare Energien zu investieren, sagt der Neusäßer, der mittlerweile drei Mitarbeiter angestellt hat, die sich ausschließlich um die Energiefrage im Unternehmen kümmern und um Bitcoin. Wie viel er mit seinen Bitcoin-Rechnern schon erwirtschaftet oder gespart hat, darüber schweigt Kläger. Nach den Bitcoins will er aber weiter schürfen. Die digitale Währung hat für ihn – auf lange Frist gesehen – einen Wert: „Wert ist oft subjektiv. Bitcoin ist begrenzt auf 21 Millionen Stück und es gibt einen klaren Plan, wie die Inflation aussieht, der auf Code, Mathematik und Physik basiert – dezentral und unabhängig. Das hat, wie wir finden, einen großen Wert.“