Während 2022 für Aktien ein schlechtes Jahr war, war es für Kryptowährungen absolut grauenhaft.
Der S&P 500 ist auf dem besten Weg, das Jahr mit einem Verlust von rund 18 Prozent zu beenden. Auch den DAX traf es bisher mit rund 12 Prozent Verlust hart. Doch für Bitcoin und andere führende Kryptowährungen sieht es noch düsterer aus.
Bisher ist BTC im Jahresverlauf um 64 Prozent und Ethereum (ETH) um 68 gefallen (Stand: 21. Dezember 2022). Von ihren Allzeithochs sind beide Kryptowährungen noch weiter entfernt. Wenn man die Risikokurve weiter nach unten zieht, liegen die meisten anderen wichtigen Altcoins mehr als 90 Prozent im Minus. So traf es Solana (SOL) mit einem Verlust von 92,5 Prozent besonders hart.
Noch im Januar 2022 war Ethereum rund 3.800 US-Dollar wert. Bitcoin notierte gar bei 48.000 Dollar.
Vor allem die Zinswende ist ein Grund dafür, dass die beiden führenden Coins so stark gefallen sind. Als die Inflationsraten plötzlich anstiegen, sprachen die US-Notenbanken und die Europäische Zentralbank noch von einer „vorübergehenden Inflation“. Wie uns das Jahr 2022 gezeigt hat, ist die Inflation jedoch eher eine mittel- bis langfristige Herausforderung.
Doch auch innerhalb des Kryptosektors war es in den letzten zwölf Monaten problematisch. Zahlreiche Krypto-Unternehmen musste Insolvenz anmelden. Betrugsfälle wie die von FTX schwächten den Markt zusätzlich.
Wie lange wird der Krypto-Winter andauern?
Für Kryptowährungen sind Boom- und Bust-Zyklen nichts Neues. Ein kurzer Blick auf die Preisentwicklung von Bitcoin – dem Maßstab für die gesamte Branche – verdeutlicht dies:
Bereits im Jahr 2018 fiel BTC auf 3.000 Dollar, nachdem die Kryptowährung zuvor binnen weniger Monate von 1.000 auf 20.000 Dollar angestiegen war.
Im November 2020 war Bitcoin dann wieder rund 17.000 Dollar wert und gewann bis April 2021 nahezu ungebremst an Wert. Im Mai 2021 fiel Bitcoin um 50 Prozent, bevor BTC am 9. November 2021 mit fast 69.000 Dollar ein neues Allzeithoch erreichte.
Auch wenn es Phasen mit hohen Kursverlusten beim Bitcoin bereits gegeben hat, sind viele Analysten der Meinung, dass es dieses Mal anders ist. Denn zum ersten Mal muss sich Bitcoin in einem Finanzmarkt beweisen, der bereits mit Problemen zu kämpfen hat.
„Der Krypto-Winter könnte dieses Mal länger dauern“, sagt David Kemmerer, CEO von CoinLedger. „Das liegt an den makroökonomischen Faktoren: 40-Jahres-Hochs bei der Inflation, steigende Kreditkosten und politische Instabilität nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine.“
Bisher fielen Abschwünge auf dem Kryptomarkt nicht mit einem Bärenmarkt in der Finanzwelt zusammen. Das Bitcoin-Protokoll ging am 3. Januar 2009 online – kurz nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise.
Die Finanzmärkte erlebten von 2009 bis Ende 2021 einen langen Bullenmarkt. Dieser wurde nur kurz durch die Covid-19-Pandemie Anfang 2020 unterbrochen. Verglichen mit den Tiefständen vom März 2009 belief sich der Wert des Aktienmarktes Anfang 2022 auf das Siebenfache.
Aber der doppelte Gegenwind durch die hohe Inflation und die Zinserhöhungen der US-Notenbank haben sowohl den Aktien- als auch den Kryptomärkten einen doppelten Schlag versetzt. Risikoanlagen wie Aktien und Kryptowährungen leiden, wenn die Zinssätze steigen.
Das liegt daran, dass höhere Zinssätze der Wirtschaft Liquidität entziehen. Je riskanter ein Vermögenswert ist, desto härter treffen ihn hohe Zinsen. Wenn die Zinsen steigen, ist es für Unternehmen nicht mehr so einfach möglich, Investitionen mit Fremdkapital zu tätigen. Das Wachstum wird gebremst.
Zudem gibt es für Anleger nun wieder risikoärmere Möglichkeiten, Zinsen zu generieren – zum Beispiel mit einem Festgeldkonto. Daher investieren sie weniger in Risikoanlagen, wenn die Zinsen steigen.
Das gleiche Phänomen, das Kryptowährungen schadet, drückt auch auf den Wert von Tech-Aktien. Meta (-67 Prozent), Netflix (-52 Prozent) und sogar Apple (-22 Prozent) haben 2022 ebenfalls massiv an Wert verloren.
Um die Frage zu beantworten, wie lange der Krypto-Winter andauern wird, muss man wissen, wie lange die hohe Inflation die US-Notenbank Fed weiter Zinsen erhöhen lassen wird. Eine nachlassende Inflation und sinkende Zinsen sind die einzigen Dinge, die der Kryptowährung helfen können. Die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) beeinflussen den Kryptomarkt hingegen kaum bis gar nicht. Hier sind die USA weiterhin Taktgeber.
„Der letzte Bärenmarkt dauerte über zwei Jahre. Wir befinden uns erst seit einem Jahr in dieser, und das makroökonomische Klima ist deutlich schlechter“, sagt Nick Saporano, CEO des dezentralen Zahlungsanbieters Divi Labs.
Bitcoin-Prognose für 2023
Der Bitcoin-Kurs liegt zum Jahresende bei etwa 16.800 Dollar. Getrieben durch die FTX-Pleite könnte es in den nächsten Monaten weiter nach unten gehen. Selbst Cathie Wood, CEO von Ark Invest und bekannte Bitcoin-Befürworterin, räumt ein, dass sich große Finanzinstitute wegen FTX in nächster Zeit von Kryptowährungen zurückziehen könnten.
Obwohl sie in einem Bloomberg-Interview an ihrer BTC-Prognose von einer Million Dollar bis 2030 festhielt, sagte Wood: „Das Einzige, was sich verzögern wird, ist, dass die Institutionen vielleicht einen Schritt zurücktreten und sagen: ‘Ok, verstehen wir das wirklich?’“
Aufgrund der schwierigen Ausgangslage ist ein Kursrückgang auf rund 10.000 Dollar Marke im Jahr 2023 nicht so abwegig.
Die Analysten von JPMorgan Chase & Co. sind sich einig, dass der Boden noch nicht erreicht ist. Die Bank sieht die Untergrenze von Bitcoin bei etwa 13.000 Dollar, wobei es nach den jüngsten Ereignissen zu einer „Kaskade von Nachschussforderungen“ auf dem Markt kommen könnte.
Die Strategen nutzen auch die Produktionskosten von Bitcoin, um vorherzusagen, wie weit die Preise fallen könnten. „Im Moment liegen diese Produktionskosten bei 15.000 Dollar, aber es ist wahrscheinlich, dass sie den Tiefststand von 13.000 Dollar, der in den Sommermonaten erreicht wurde, wieder erreichen werden”, so das JPMorgan-Team in einer Mitteilung.
Mit den Bitcoin-Produktionskosten sind vor allem die Energiekosten gemeint, die anfallen, wenn man Bitcoins schürft. Allerdings gibt es da noch die Kosten für die Mitarbeiter und Hardware.
Ethereum-Prognose für 2023
Wo Bitcoin hingeht, folgt normalerweise auch Ethereum – zumindest war das bisher der Fall.
Nach dem Ethereum Merge im September 2022, dass sich die Kursentwicklung des Paares bald entkoppeln könnte. Der Merge war ein großes Update des Ethereum-Netzwerks. Früher wurden Ether Coins wie BTC per Mining hergestellt. Nun setzt der Proof-of-Stake-Konsensmechanismus an. Das macht Ethereum deutlich umweltfreundlicher und soll langfristig dabei helfen, die Gebühren zu senken.
„ETH hat noch nicht von der kürzlich gestarteten Proof-of-Stake-Fusion profitiert“, sagt Kemmerer. „Das liegt zum Teil am Krypto-Winter“
Kemmerer glaubt, dass die Kryptowährung in den nächsten sechs Monaten auf bis zu 2.500 Dollar steigen könnte. Das ist eine ziemlich optimistische Annahme. Fakt ist, dass die Entwicklungen, die den Bitcoin-Preis antreiben, auch den Ethereum-Kurs maßgeblich beeinflussen. Damit ist auch ein potenzieller Ethereum-Kursanstieg von der makroökonomischen Lage abhängig.
Wenn sich diese nicht bessert, wird Ethereum wahrscheinlich weiter fallen. Bereits im Juni war Ethereum auf unter 1.000 Dollar gefallen. Ein dreistelliger Kurs wäre daher nicht verwunderlich.
Andere Kryptowährungen im Jahr 2023 im Blick
So schlecht es Bitcoin und Ethereum im Jahr 2022 ergangen ist, so schlimm war die Situation für andere spekulative Altcoins.
Die meisten Altcoins hat es deutlich härter getroffen als Bitcoin. Entsprechend dürften die meisten Investoren von der Entwicklung der alternativen Kryptowährungen enttäuscht sein.
Viele Altcoins haben es schwer, sich während des Bullenmarktes zu etablieren – eine Aufgabe, die sich angesichts der geringeren Liquidität auf dem Markt als noch schwieriger erweist.
Solange sich Bitcoin und Ethereum nicht erholen, werden die Altcoins ihren Abwärtstrend fortsetzen. Und ähnlich wie in den Bärenmärkten vergangener Tage werden viele von ihnen ganz aufhören zu existieren. Allein im Jahr 2022 sind mehr als 900 Kryptowährungen de facto für „tot“ erklärt worden. Das geht aus den Daten der Kryptoanalyse-Website Coingecko hervor.
Ein noch interessanterer Fall für das Jahr 2023 sind die Stablecoins.
Die Kryptobörse Binance hat im September mehrere Stablecoins von der Börse genommen, darunter USD Coin (USDC), die fünftgrößte Kryptowährung mit einer Marktkapitalisierung von 43 Milliarden US-Dollar. Circle, der Erfinder von USDC, kündigte kurz darauf an, dass er in der ersten Jahreshälfte 2023 einen Stablecoin auf Solana (SOL) auf den Markt bringen wird, der mit Euro gedeckt sein soll.
Einige Analysten gehen davon aus, dass der Wettbewerb schon bald noch stärker werden könnte. Grund dafür ist die wachsende Zahl staatlich geförderter Stablecoin-Projekte, die als digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) bekannt sind.
Die Bank of Japan führt Anfang 2023 ein Pilotprojekt mit großen Banken durch. Die Türkei kündigte sogar an, im nächsten Jahr einen Stablecoin einzuführen. Viele weitere Länder werden dies ebenfalls tun. Eines von ihnen ist allen anderen weit voraus: China.
Bisher war die Entwicklung von CBDCs in China auf lokale Gebiete beschränkt, aber das könnte sich nächstes Jahr durch eine breitere Einführung ändern. Und auch die Europäische Zentralbank hat längst damit begonnen, an einem digitalen Euro zu arbeiten.
Für die derzeitigen Stablecoin-Herausgeber wie Tether (USDT), Circle und Binance bedeutet das, dass sich der Wettbewerb verschärft.
„Stablecoins sind in einer schwierigen Lage, denn es steht außer Frage, dass das Aufkommen von CBDCs an ihrem Markt nagen wird“, sagt Richard Gardner, CEO des Fintech-Unternehmens Modulus Global.
Der Markt für Stablecoins ist genauso schwer zu prognostizieren wie die Preisprognosen für Bitcoin. Ethereum oder jeder anderen Kryptowährung.
Eine Sache ist sicher: Der Krypto-Sektor bleibt hochriskant. Daher solltest Du niemals Geld in Kryptowährungen investieren, das Du anderweitig benötigen solltest. Wir empfehlen wir Dir stattdessen unseren Ratgeber, um zu lernen, wie Du Schritt für Schritt Geld anlegen kannst.