Trotz aller Rede von “Ethereum-Killern” im Bull-Run 2021: Die Blockchain von Gründer Vitalik Buterin ist, einmal abgesehen von Bitcoin, nach wie vor das Maß aller Dinge. Vor allem im Zuge dieses gnadenlosen Bärenmarkts lässt sie Solana, Avalanche, Terra, Fantom und Co. weit im Rückspiegel zurück. Das zeigt auch ein Blick auf das Total Value Locked. 60 Prozent des gesamten Krypto-Kapitals bindet Ethereum derzeit unter den Smart-Contract-Blockchains.
Zu Beginn des Jahres war klar, dass Ethereum noch ordentlich Arbeit vor sich haben würde, ehe bei der zweitgrößten Blockchain nach Marktkapitalisierung von Massenadaption die Rede sein konnte. Ergebnisse mussten in diesem Jahr auf die Versprechen des Letzten folgen.
Und diese gab es dann auch, nicht nur mit dem lang erwarteten Merge. Wenngleich der Kurs in 2022 eine andere Richtung einschlug, steht die Kryptowährung am Jahresende besser dar, als ihr Preisetikett es vermuten lässt.
Der Kurs fällt, das Netzwerk wächst (Q1)
Der ETH-Preis begann sein 2022 bei etwa 3.800 Dollar. Und dort liegt auch das Allzeithoch für dieses Jahr. Denn es folgte der erste Jahres-Kurssturz. Im Nachhinein fast schon ein Omen: Außer einer kurzen Erholung im April tendierte der Preis der Kryptowährung für den überwiegenden Teil von 2022 nach unten.
Wachstum gab es dafür an anderen Stellen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal verzeichnete Ethereum in Q1 2022 massive Anstiege in puncto Netzwerkertrag (Wert aller Gebühren des Netzwerks) als auch neue Rekorde bezüglich des Stakings und täglich aktiven Adressen. Auch die Stablecoin-Aktivität legte rapide zu. Bezüglich des Wachstums des reinen Netzwerks standen die Zeichen demnach eigentlich noch besser als im bullischen Vorjahr.
Der Fokus der Ethereum- und breiteren Krypto-Community wechselte zum Ende des Quartals zum wichtigsten Ereignis des Jahres: der Umstellung des Konsensmechanismus aka “The Merge”. Aus Ethereum 2.0 wurde so der “Consensus Layer“. Der große Schritt in Richtung Skalierung und Massenadaption Ethereums wurde unter der Haube entsprechend modifiziert. So würde der Prozess fortan deutlich fragmentierter vonstattengehen als ursprünglich gedacht.
When Merge? (Q2)
Doch erstmal sorgten die Entwickler des Projekts bei ihren Anhängern im April für Dämpfer: der Wechsel von Proof-of-Work zu Proof-of-Stake wurde vertagt. Zu groß und zu wichtig war das Unterfangen, weshalb scheinbar nichts dem Zufall überlassen wurde. Auch die “Difficulty Bomb”, die einen zeitgesteuerten Wechselzwang für Miner darstellen sollte, wurde verschoben und schürte Ängste, dass es auch in diesem Jahr mit ETH 2.0 nichts werden würde …
Entsprechend getrübt war die Stimmung der Anleger, die ohnehin von den Turbulenzen des Jahresabschnitts gebeutelt werden würden. Nur kurz nach Verschiebung des Merge implodierte das Terra-Ökosystem bekanntermaßen und sorgte für einen enormen Vertrauensverlust in der Krypto-Szene, der leider auch nicht spurlos an Ethereum vorbeiging. Im weiteren Verlauf des Quartals rauschte der ETH-Preis zweistellig in die Tiefe.
Plötzlich rückte auch das Ethereum-Staking wieder ins Rampenlicht. So begannen sich einige Anleger zu fragen, ob ihr gestaktes ETH überhaupt freigeschaltet würde. Nach dem “Depeg” des Stablecoins UST verlor nun auch der liquide ETH-Staking-Token von Lido “stETH” seine Bindung zum Originalpreis. Das ETH-Äquivalent sorgte in Teilen somit wohl auch für den Untergang von Krypto-Lending-Dienst Celsius.
Nur einen Monat nach dem Terra-Kollaps hieß es damit für den Krypto-Markt mal wieder: Talfahrt. Und für Ethereum das Erreichen des (vorläufigen) Jahrestiefs für 2022. Bei rund 880 US-Dollar markierte der Kurs das “Lowlight” des Jahres. Ein Quartal zum Vergessen.
Ethereum zu zentralisiert? (Q3)
Nach dem Schock des Terra-Kollapses und der Insolvenz von Celsius und Krypto-Hedgefond Three-Arrows-Capital konnte Ethereum gemeinsam mit dem übrigen Krypto-Markt Ende Juli wieder etwas durchschnaufen. Die Bekanntgabe eines fixen Datums für den Ethereum Merge hatte unter anderem zur Erholung der Kurse beigetragen. Entwickler setzten den 19. September als vorsichtiges Ziel für die Verschmelzung der Beacon- und Main-Chain.
Doch am Horizont zog bereits der nächste Sturm auf. Oder sollten wir “Tornado” sagen? So entschied sich die Abteilung des US-Justizministeriums OFAC Anfang August, den auf Ethereum heimischen Krypto-Mixer “Tornado-Cash” zu sanktionieren. Und löste in der Folge die vermutlich heißeste Debatte des Jahres in Sachen Privatsphäre im Krypto-Sektor aus. Der Vorwurf lautete Beihilfe zur Geldwäsche, womit OFAC jegliche Interaktion mit dem Smart-Contract der Plattform als illegal deklarierte.
Immer mehr Protokolle kappten daher ihre Verbindung zu Tornado-Cash. Schließlich begannen selbst Ethereum-Miner Transaktionen ausgehend vom Protokoll zu boykottieren. Es galt als erster Fall der Zensur auf einer Blockchain und leitete gleich über in die nächste Debatte: einer möglichen Zentralisierung nach dem Ethereum Merge.
Denn wie sich herausstellte, war der Großteil des ETH-Stakes in den Händen einiger weniger Anbieter, darunter die großen Börsen Coinbase, Binance und Kraken. Waren sie etwa in der Lage, über die Legitimität aller Transaktionen auf Ethereum zu entscheiden? Die Frage bleibt bis heute offen. Noch werden Tornado-Cash-Transaktionen validiert, was auch die Effektivität der OFAC-Sanktionen infrage stellt. Durch Anbieter wie Rocket-Pool oder Ankr scheint sich das Staking zudem weiter zu dezentralisieren.
Eines war zumindest klar: Der Merge würde kommen. Und am 15. September, einige Tage früher als erwartet, um 08:44 in der Früh läuteten Entwickler erfolgreich das Zeitalter von Ethereum 2.0 ein. Eine technische Meisterleistung, die fehlerfrei über die Bühne ging.
In der Folge sank die ETH-Ausschüttung massiv, was den Preis der Netzwerksicherung und weiteren Verkaufsdruck reduzierte. Doch am wichtigsten: Die Umstellung des Konsensmechanismus bedeutete eine Reduktion des Energieverbrauchs um 99 Prozent. Plötzlich wurde die Blockchain des “Ultra-Sound-Money” nicht nur für ESG-bedachte Investoren interessant, sondern brachte sogar den “Energieverschwender” Bitcoin in Erklärungsnot.
Der Zukunft zugewandt (Q4)
Der Merge hatte bewiesen: Mit Ethereum ist weiter zu rechnen. Kaum war der Meilenstein erreicht, wurden die Rufe nach dem Nächsten laut. Denn noch immer waren die gestakten ETH gesperrt und Nutzer entsprechend nachdrücklich, was eine baldige Freischaltung betraf. Folglich standen die nächsten Phasen “the Surge, Scourge, Verge, Purge und Splurge” auf dem Programm.
Der Fokus der Entwickler war zunächst noch der Blockchain-Skalierung vorbehalten. Das vierte Quartal entwickelte sich in Sachen Aktivität zur Phase der Layer-2-Blockchains, Arbitrum und Optimism, die im kommenden Jahr ein weiterer Treiber der Massenadaption sein könnten. Oberstes Ziel ist es, mit ihnen und anderen Änderungen 100.000 Transaktionen die Sekunde auf Ethereum zu erreichen. Eine Aufgabe, die inzwischen fester Teil der Ethereum Roadmap ist. Vitalik Buterin präsentierte sie selbst am 5. November mit neuen Änderungen.
Indessen wurde ab Anfang November ein Ereignis zur bestimmenden Thematik im gesamten Krypto-Space: der Fall FTX. Als Folge des Fiaskos sind die Blicke der Regulatoren mehr denn je auf den Blockchain-Sektor gerichtet. Und bei Ethereum steht scheinbar noch immer die Frage aus, ob es sich mit ETH um einen Rohstoff (wie Bitcoin) oder um ein Wertpapier handelt.
Ethereum befindet sich in diesem Quartal vorerst auf Konsolidierungskurs. Doch der Stand ist fest und der Blick nach vorn gerichtet. Gründer Vitalik Buterin gewährte zum Jahresende Einblick in seine Zukunftsvisionen. DeFi, DAOs, Stablecoins und digitale Identitäten fanden sich hierin wieder. Blickt man sich im Sektor um, sieht man schnell, dass diese Innovationen und mehr, derzeit vor allem auf Ethereum gebaut werden.
Ethereum-Ausblick: Flippening oder Floppening?
Der Blick dürfte als Nächstes auf das anstehende Shanghai Update gerichtet sein. Mit ihm beginnen die Staking Auszahlungen. Im Anschluss sollen erste Implementationen des Sharding folgen.
Der Gedanke an ein “Flippening” kommen. Nicht nur Ethereums relative Preisstärke im Vergleich zu Bitcoin inmitten des Bärenmarkts beweist, wie realistisch dieses Szenario mit jedem Monat zunehmend wird. Technische Innovationen, “Ultra-Sound-Tokenomics” und der DeFi-Sektor als Zugpferd dürften dafür sorgen, dass Ethereum dem König der Kryptos Bitcoin im nächsten Jahr dichter denn je auf den Fersen bleibt.
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